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Schwingen und Schlemmen

Es gibt Regionen in den Alpen, wo die Berge höher in den Himmel wachsen und die Skigebiete noch größer sind als im Bregenzerwald. Aber an nur wenigen anderen Orten lässt sich nach dem entspannten Carven und Cruisen so gut speisen und so stilvoll in intakten Dörfern wohnen.
Ein Skifahrer auf der Piste im Bregenzerwald.
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Bregenzerwald Tourismus/Oostenrijk TV

Wir waren auf Entdeckungstour in der Region mit dem schneereichsten Dorf der Welt.

Oliver Polster, offizieller Titel „Head-Bartender“, ist ganz in seinem Element: Mit der rechten Hand pimpt er einen „Manhattan“ mit Balsamico, mit der linken schüttet er die Zutaten für einen Cocktail auf Ayran-Basis in den Shaker – frisch und leicht kommt dieser Drink daher. Rund um Olis Arbeitsplatz, die „Bar Novum“ im „Alpenstern Panoramahotel“ (4*S) in Damüls, drängen sich jetzt, am späten Nachmittag, die durstigen Gäste. Sie sind hier nicht zufällig gelandet. Oli ist nicht nur ein leidenschaftlicher „Liquid Alchemist“, der auf selbst hergestelltes, klares Eis schwört, weil es langsamer schmilzt, sondern ein Menschenfänger im besten Sinne des Wortes: „Als Barkeeper will ich wissen, was mein Gast möchte, noch bevor er es selbst weiß. Damit das klappt, braucht es ein ehrliches Interesse am Menschen, und das spüren unsere Gäste.“

Der „Alpenstern“ bietet Oli für seinen Anspruch die perfekte Bühne. Mit dem Umbau 2020 holte Senior-Hotelier Bertram Bischof seine Kinder Corina – samt Ehemann Maximilian Steinfeld – und Peter ins Boot. Corina und Maximilian sind für Hotel und Restaurant zuständig, Peter verwöhnt gemeinsam mit seinem besten Kumpel Sandro Abel die Gäste kulinarisch. Sie alle sind in Damüls aufgewachsen – und nach Lehr- und Wanderjahren wieder zurückgekommen. Weil ihnen der aufstrebende Ferienort eine Perspektive bietet. Weil es im Bregenzerwald eben doch am schönsten ist, wie sie sagen.

Zweimal in der Woche laden Peter und Sandro im Gourmet-Restaurant „Löffelspitze“ zum Acht-Gänger für maximal zwölf Gäste. Klar, dass auch dabei Oli „mitmischt“: Auf Wunsch serviert er eine Cocktail-Begleitung zum Menü, natürlich in kleinen Gläsern, und perfekt abgestimmt auf die verschiedenen Gerichte. Wir lernen, dass man die „Sau mit Kraut“ mit einer Drink-Kreation auf Basis des exklusiven Blue Labels von Johnnie Walker bestens pairen kann und die rauchigen Noten wunderbar mit dem Speck harmonieren. Cheers!

Ski-in-Ski-out vom Feinsten

Am folgenden Morgen freuen wir uns, dass die Pisten direkt vor der Haustür beginnen und der Alpenstern Ski-in-Ski-out bietet – wir also nur in die Bindung hüpfen müssen, um den Kopf wieder klar zu bekommen, denn ja: Auch Mini-Cocktails enthalten Alkohol. Damüls-Mellau ist mit mehr als 100 Pistenkilometern (inklusive Faschina) das größte Verbund-Skigebiet im Bregenzerwald. Seit 2009 gibt es diese „Ehe“, verbindet ein 120 Meter langer Skitunnel die Mellauer Nordhänge mit den Damülser Südhängen, sodass man zu jeder Tages- und Saisonzeit ideale Bedingungen vorfindet.

Wir vergnügen uns auf den nicht präparierten Skirouten an den Bahnen Sunnegg, Hasenbühel und Hohe Wacht, testen kurz den abwechslungsreichen Snowpark und die tiefschwarze Sunnegg-Abfahrt: Deren Steilhang mit 74 Prozent Gefälle kann es fast mit der legendären Mausefalle auf der Streif in Kitzbühel (85 Prozent) aufnehmen.

Stilvolles Wohnen und Leben

Was uns auffällt: Die „Wälder“ geben richtig Gas, haben in den vergangenen Jahren kräftig in neue Aufstiegshilfen investiert. Nur sind die Liftstationen eben keine Betonbunker, sondern im typischen Stil der Vorarlberger Holzarchitektur gehalten, sodass sie sich perfekt in die Umgebung einfügen. Überhaupt ist diese moderne, frische Bauweise das ganz große Aushängeschild des Bregenzerwaldes. Man kann sie an Privathäusern, bei den zahlreichen „Design-Hotels“, an öffentlichen Gebäuden bewundern. Hinter dem Arlberg, in Tirol, schreckt man mancherorts vor kaum einer architektonischen Verirrung zurück, da gibt’s auch mal alpinen Jodel-Stil mit Fertigteilbalkonen und Zierputz. Hier, in Vorarlberg, scheint man hingegen immun zu sein gegen Bausünden und grassierenden Alpenbarock. Die „Wälder“ bauen lieber mit Bäumen, wie schon seit Generationen, sind im besten Sinne des Wortes auf dem Holzweg. Deshalb also: Auftritt der Bauernhäuser, holzverschalt. Kleine Rundschindeln legen sich wie eine Haut aus Schuppen über die Außenwände. Liebevolle Details an den Fensterläden, geschmackvolle Farben, im Sommer üppig bepflanzte Bauerngärten. Dazwischen: neue, modern wirkende Häuser, ebenfalls größtenteils aus Holz, die sich mit ihren schindelverkleideten, älteren Verwandten bestens vertragen.

Für das Auge ist das eine Wohltat, ein wahrer Luxus. Egal, ob man in den drei größeren Skigebieten Damüls-Mellau, Warth-Schröcken oder am Diedamskopf bei Au-Schoppernau die Pisten unsicher macht oder in kleineren Gebieten: Überall blickt man hinab ins Tal auf diese intakten Dörfer und denkt sich: Stilvolles Wohnen und Leben könnte so einfach sein, getreu dem „Wälder“-Motto: Wir ehren das Alte, aber grüßen das Neue. Warum bekommen sie das anderswo nicht auch so schön hin? Warum sterben in Bayern die Wirtshäuser, gibt es in gut einem Viertel der 2.200 Gemeinden keinen solchen sozialen Treffpunkt mehr? Hier, im Bregenzerwald, existieren dagegen Dörfer mit bis zu acht Lokalen. Und die werden nicht nur von den Winterurlaubern, sondern auch von den Einheimischen rege besucht. Die berechtigte Frage lautet deshalb: Was machen sie hier anders?

Zwei Skifahrer mit Blick auf verschneite Berge in Damüls-Mellau.
© Alex Kaiser/Bregenzerwald Tourismus

Ein Treffpunkt für Gourmets

Am Abend lassen wir uns die Antwort geben oder besser: servieren. Und zwar im Hotel Gasthof „Hirschen“ in Schwarzenberg, einem 265 Jahre alten „Wälder“-Haus. Individualisten, Künstler, gekrönte Häupter und Feinsinnige aus aller Welt haben hier schon genächtigt. Der „Elder Statesman“ des „Hirschen“, Franz Fetz, wurde 1946 in der König-Max-Suite unter der barocken Deckenmalerei geboren und hat den „Hirschen“ zu dem gemacht, was er heute ist: ein Wohlfühlort und ein Treffpunkt für Gourmets, die sich die mit zwei Gault-Millau-Hauben dekorierten Gerichte von Küchenchef Jonathan Burger schmecken lassen. Eine große Speisekarte sucht man hier vergeblich. Aber man merkt sofort: Burger hat die Welt bereist. Er setzt viele asiatische Akzente von Japan über Indien bis Korea, gart zum Beispiel den Seesaibling in Kimchi-Saft. Dann hat er aber wieder Bock auf daheim und offeriert als Starter ein „Kässpätzle-Gedeck“: Mini-Käsknöpfle, wie die „Wälder“ sagen, Röstzwiebeln, dazu einen Obstler. Auch so kann Soulfood mit den besten Produkten der Region gehen.

Natürlich lässt sich das alles noch viel mehr genießen, wenn Frau Holle mitspielt. Im Bregenzerwald stehen die Chancen dafür gut, denn Damüls schafft es immer mal wieder in die Schlagzeilen auch der überregionalen Presse als „schneereichstes Dorf der Welt“. Tatsächlich fielen hier einmal in sieben aufeinanderfolgenden Wintern gewaltige 65 Meter Schnee. Der weißen Pracht besonders nahe ist, wer direkt im Skigebiet logiert. Eine feine Adresse hierfür ist das auf 1.700 Metern hoch über Damüls gelegene „Walisgaden Resort“, an dem die Piste direkt vorbeiführt. Mittags genießt man in der neuen Sky-Lounge mit ihren großzügigen Glasfronten regionale und internationale Klassiker. Nachmittags entspannt man im ebenfalls neuen Wellnessbereich, wo man in der Panorama-Sauna den Skifahrern beim Carven zusehen kann. Und nachts träumt man in den großzügigen Suiten mit bodentiefen Fensterfronten vom nächsten Tag.

Der einzige Nachteil hier oben: Man mag sich abends nicht mehr ins Tal bewegen. Das wäre jedoch ein Fehler, denn dort wartet ein ganzer Strauß an feinsten Schlemmer-Adressen. Fast schon Pflicht ist ein Besuch im Restaurant „Schulhus“ von Gabi und Herbert Strahammer im etwas versteckt gelegenen Weiler Krumbach. Wo heute von Gault-Millau mit drei Hauben prämierte Küche serviert wird, fand bis in die 60er-Jahre tatsächlich Schulunterricht statt. Später beherbergte das Gebäude ein Geschäft für Babykleidung, ehe es die Strahammers kauften und zu einer Pilgerstätte für Freunde des guten Geschmacks machten. An vier Tagen in der Woche (mittags und abends) zaubert Gabi fast ohne fremde Hilfe in der Küche ein Vier-Gang-Menü, das jeden der 89 Euro wert ist. Während man sich über die Ravioli mit Frischkäse-Spinat-Füllung auf Limonen-Pfeffersauce über das Hüftsteak vom Kalb zur überbackenen Rotweinfeige mit Walnuss-Parfait hangelt, kümmert sich Herbert um die passenden Weine, viele davon aus Österreich und von Winzern, die er persönlich kennt.

Kulinarik von den wildesten Köchen

An den folgenden Tagen freunden wir uns immer mehr mit diesem „Wälder“-Duathlon an: tagsüber die Skigebiete entdecken, auch die ganz kleinen, aber feinen wie die Lifte am Bödele (eine spannende Reportage dazu lest ihr im SKIMAGAZIN #3 2024; Anm. d. Red.) – und abends die verführerischen Gasthäuser. Emanuel Moosbrugger lacht, wenn man ihn darauf anspricht. „Wir haben vielleicht nicht die wildesten Gipfel“, sagt er dann, „aber die jüngsten und wildesten Köche.“ Nach ausgiebigen Wanderjahren in der Spitzengastronomie in New York und San Francisco kehrte er 2013 nach Bizau zurück und übernahm von seinen Eltern das „Biohotel Schwanen“, das der bekannte einheimische Architekt Hermann Kaufmann in der typischen „Wälder“ Holzbauweise umgebaut hatte. In der Stube geht man über knarrendes Parkett aus Nuss und Eiche. Die Tische sind aus Bizauer Kirschenholz, Birne und Ahorn. Generationen von Menschen haben hier schon gesessen und gegessen. Moosbruggers junge Küchenbrigade – von Gault-Millau mit drei Hauben bedacht – serviert ein „Wilde-Weiber“-Menü, kocht ausschließlich mit regionalen Zutaten, mischt Altes und Neues, interpretiert die Regeln der Hildegard von Bingen neu. „Vegetarier essen hier plötzlich Fleisch. Und spätabends speisen noch Gäste, die sonst nach 18 Uhr Sodbrennen kriegen“, freut sich Moosbrugger.

Weil es so schön ist im „Wald“ und sie hier auch eine berufliche Perspektive haben, kommen die Jungen nach ihren Lehrjahren in der Fremde offenbar wieder zurück in die Heimat – und bringen frische Ideen mit. So wie auch Michaela Simma. Nach der Matura ging sie nach London und Dublin: „Hotelier zu werden war nicht mein Plan“, gesteht die Multimedia-Marketing-Expertin. Und doch ist sie wieder daheim gelandet, so wie auch ihre vier Geschwister. Sie, die jüngste, hat das Hotel „Rössle“ in Au von ihren Eltern übernommen, Bruder Peter führt den „Adler“ gleich um die Ecke. In beiden Vier-Sterne-Häusern arbeiten die anderen drei Geschwister mit, als Küchenchef, als Finanzchef, auch mal an der Rezeption, wenn es nottut. Gemeinsam sind sie die größte Hoteliers-Familie im Bregenzerwald. Die leidenschaftliche Skifahrerin Michaela Simma hat das jahrhundertealte „Rössle“ mit seinen niedrig hängenden Decken mithilfe von skandinavischem Interior Design luftiger und heller gemacht, ohne das Alte zu zerstören. Und Bruder Peter hat dem „Adler“ eben erst eine neue Wellness-Landschaft verpasst: Vom Infinity Pool blickt man direkt zur Kanisfluh mit ihren Steinböcken, die jetzt im Winter tiefere Gefilde aufsuchen – oder einfach nur verstanden haben, dass die besten Leckereien unten im Tal auf dem Speiseplan stehen, auch wenn sie nicht auf einen Cocktail zu Oliver Polster gehen.

Ein Skifahrer beim Freeriden in der Region Bregenzerwald.
© Lukas Holland/Damüls Faschina Tourismus

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