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Die Wiederbelebung des Gasteiner Tals

Der Knoten ist geplatzt. Nach jahrelangem Stillstand drehen sich nun die Kräne in Gastein. Großinvestoren bringen Bewegung ins Gasteiner Tal, das einst durch seine heißen Quellen zu Weltruhm gelangte. Jetzt wird der Tourismus mit kreativen Ideen neu gedacht. Wir haben uns vor Ort umgeschaut.
Skifahrer abseits der Piste im Gasteinertal.
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Gasteinertal Tourismus GmbH/Christoph Oberschneider

Alpendörfer im klassischen Sinne waren die zwei charmanten Orte Bad Hofgastein und Bad Gastein im mit 40 Kilometern längsten Seitental der Hohen Tauern noch nie. Vielmehr blicken die etwa 13.000 Bewohner des Gasteiner Tals auf eine bewegte Entwicklung ihrer Heimat zurück: vom Reichtum aus dem Gold- und Silberbergbau hin zum „flüssigen Gold“, das mit 18 Quellen aus den Tiefen der Hohen Tauern sprudelt – ergänzt vom „weißen Gold“, das im Winter vom Himmel fällt.

Auf dem Kaiser-Franz-Platz im Zentrum von Bad Hofgastein ziehen eigenwillige Sitzmöbel aus Kunststoff in Rot, Gelb, Blau und Pink an runden Holztischen das Auge magisch an. Mittendrin das Denkmal jenes Monarchen. Im Rücken das dazugehörige schlichte Gebäude mit hölzernen Balkonen. Wir checken im Neubau „Baumhaus“ ein. Das Abendessen genießen wir wenig später mit Silberbesteck. „Ich habe es auf dem Dachboden gefunden“, lacht die neue Eigentümerin Eva Eder. Die gestandene Mittfünfzigerin hat ihrem Beruf als Juristin den Rücken gekehrt und dem ehemaligen Hotel Salzburger Hof seit 2020 neues Leben eingehaucht, ganz im Bauhausstil „form follows function“. Jetzt verbindet das Blü Urbanität mit dem Charme des legendären Kurorts mit seinen heilenden Quellen und steht symbolisch für den frischen Wind, der im Gasteiner Tal im Pongau die verstaubte Patina von den Hotels fegt, die sich durch die Gesundheitsreformen ab 1995, bei der Kur-Zahlungen sehr stark eingeschränkt wurden, gebildet hatte.

Warme Sonne vor hochalpinem Bergpanorama

Vor dem Relaxen im Thermalwasser zieht es uns auf die Pisten der schneereichen Region, die von jedem Italientief beschneit wird. Auf 197 Pistenkilometern können sich Skihungrige im zum Skigebiets-Verbund Ski amadé zählenden Gasteiner Tal mit den Ortschaften Dorfgastein, Bad Hofgastein, Bad Gastein und dem vor etwa 40 Jahren geschaffenen Sportgastein austoben. Wir sind sehr hungrig und finden die Unterteilung in vier Skigebiete sehr übersichtlich auf dem Pistenplan. Wobei das größte zusammenhängende Skigebiet das Areal Schlossalm bei Bad Hofgastein über das Skizentrum Angertal mit dem Stubnerkogel bei Bad Gastein per Skischaukel verbindet.

Ins Skigebiet Graukogel in Bad Gastein, Sportgastein bei Bad Gastein und Dorfgastein-Großarltal fährt ein Skibus. Wir steigen in die 10er-Gondel Schlossalmbahn und schweben flugs auf die Schlossalm. In diesem Familienskigebiet schwingen wir uns zunächst auf roten und blauen Pisten sanft ein, um die Bettschwere zu verlieren. Dabei genießen wir das Tauern-Bergpanorama und die wärmenden Sonnenstrahlen im Gesicht.

Kulinarisches Skigebiet

Im Vergleich dazu ist die Auffahrt mit der gelben Senderbahn hoch zum Stubnerkogel (2.251 m) richtig wild. Hier rüttelt der Wind an den Gondeln und beißt beim Ausstieg im Gesicht. Dann breitet sich ein unvergleichliches Meer von Pisten vor uns aus, eine breiter als die andere. Schließlich ist das Gasteiner Tal in alle vier Richtungen von den imposanten Bergriesen der Hohen Tauern in der 3.000er-Liga umzingelt. Wir entscheiden uns zunächst für die rote Abfahrt B19, die wir nur mit wenigen Skifahrern teilen.

Frequentierter zeigt sich die rote Abfahrt B16, die neben der Hängebrücke am Stubnerkogel steil abfällt. Doch auch hier fährt der Wind als Begleiter ständig mit. So wechseln wir am Mittag das Skigebiet und fahren ins geschützte Angertal mit seinen lieblichen Südhängen ab. Zwischendurch legen wir noch einen Stopp in der Herzwies-Alm nahe der Talstation der Kaserebenbahn ein. Auf dieser traditionellen Alm aus dem 15. Jahrhundert verkosten die Gastwirte Gerhard und Michael Sendlhofer stolz die Produkte ihres Bauernhofes in Bad Hofgastein. Die 45 Milchkühe kommen hier zur Sommerfrische, bevor sie auf die Hochalm aufsteigen. Michael erzählt die Geschichte des Hofes, während er uns Rotschmierkäse, Alpencamembert, Schweinespeck und selbst gebackenes Brot zum Kosten anbietet. Danach verstaue ich ein großes Stück würzigen Rotschmierkäse in meinem Rucksack, der den Rest des Tages mit über die Pisten schwingt. Die Alm ist auch am „Höchsten Bauernmarkt der Alpen“ beteiligt, den der Skiverbund Ski amadé 2015 ins Leben gerufen hat, um dem Gast die Produkte der Bergbauern näherzubringen.

Skifahrer auf der Piste im Gasteinertal.
© Ski Amadé/Claudia Ziegler

Antike Spa-Landschaft

Nach diesem erlebnisreichen, aber teilweise ungemütlichen Skitag zieht es uns in die Alpentherme in Bad Hofgastein. Schon die alten Römer haben diesem Quellwasser, von dem täglich fünf Millionen Liter aus den Tiefen der Hohen Tauern aufsteigen, die wohltuende Wärme und die Heilwirkung attestiert. Erste prominente Besucher kamen bereits Ende des 14. Jahrhunderts. Doch erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts nimmt der Kurbetrieb richtig Fahrt auf. Eine Zeitenwende leitete 1824 der Bau der ersten Holzleitung ein, die das Thermalwasser über sieben Kilometer von Bad Gastein nach Bad Hofgastein geleitet hat. So entstand ein Nobelhotel nach dem anderen, freilich im Stil der Belle Époque, dessen Gesicht das Tal noch heute trägt, auch wenn es inzwischen gealtert ist.

In diese Zeit fällt auch der Bau des Grandhotel Straubinger, das aus einer Taverne unterhalb der Elisabethquelle mitten im Ortskern von Bad Gastein neben dem Wasserfall entstand. Für das Badeschloss nebenan musste ein Schweinestall weichen. Gastein war en vogue, und die Gästeliste liest sich heute wie das Who’s who des 19. und 20. Jahrhunderts: Franz Schubert, Kaiser Wilhelm I., Kaiserin Elisabeth, der Schah von Persien, später Politiker wie Helmut Kohl, Papst Benedikt XVI. und Stars und Sternchen der Musikszene. Die nächste Zeitenwende erfuhr das Tal im Pongau mit der Gesundheitsreform 1995, bei der Kuranwendungen weitestgehend von der Heilmittelliste gestrichen wurden. Die Nächtigungen in den Kurorten gingen rapide zurück, und der Zerfall der längst unter Denkmalschutz stehenden Häuser nagte wie ein faulender Zahn an den Gebäuden. Streitigkeiten mit Großinvestoren legten das Tal mit seinen 18 Thermalquellen vor Jahren in einen Dornröschenschlaf.

Neues Blut für alte Häuser

Jetzt wird es mithilfe von neuen Investoren wieder wachgeküsst. Sie kommen aus Schweden oder aus München, wie 2018 die Hirmer Immobilien Gruppe. Dieses Unternehmen, das für nachhaltigen Bau steht, hat das Grandhotel Straubinger, das Badeschloss und das Hotel Alte Post gekauft und die denkmalgeschützten Häuser stilgerecht revitalisiert. Das Hotel Straubinger wurde am 1. September neu eröffnet, die Eröffnung des Hotels Badeschloss ist vor dem Winterstart geplant.

Im Hotel Straubinger, in dem schon Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann gelernt hat, wird die Geschichte des Hauses bewahrt und würdig mit neuen Elementen bereichert. Das Badeschloss wird um einen 14-stöckigen Hotelturm erweitert, dessen Dach mit einem Infinity-Pool gekrönt wird. So wird alte Badekultur neu gelebt. Wie ein Magnet zieht dieses Projekt weitere Investoren an, die vielen Häusern mit weltstädtischem Flair wieder neues Leben einhauchen.

Brücke vor verschneitem Bergpanorama.
© Monika Neiheisser

Freeride-Paradies Sportgastein

Tief entspannt wollen wir am nächsten Tag unsere frisch gewonnene Kraft beim Freeriden in Sportgastein verpulvern. Schnell merken wir: In Sportgastein ist alles anders. Anstatt glamouröser Belle-Époque-Bauten, Entspannungstempeln und einem reichen Skipisten-Angebot finden wir ein Naturjuwel, das seinesgleichen sucht. Schon die Anfahrt ins südliche Talende über eine Mautstraße mit zwei unbeleuchteten Tunneln, die für Skipass-Inhaber kostenlos befahrbar ist, lässt Ungewöhnliches erahnen.

Zu unserer Sicherheit klemmen wir uns an die Bretter von Skitourenführer Norbert und nehmen die Goldberg-Bahn auf den Kreuzkogel, der erste der drei Skilifte, die in Sportgastein surren. Danach wird es anstrengend. Es geht weiter bergauf - mit schweren Freerideplanken, ohne Skitourenbindung in weichem Frühlingsschnee. Doch wir freuen uns auf eine lange Abfahrt ins Weißenbachtal. Eine endlos erscheinende Querung, bei der wir die Ski schultern und jeden Schritt achtsam in den steilen Hang schlagen, raubt uns die Kräfte. Ein kurzer Anstieg zur Schartendurchquerung ist der krönende Abschluss. Dazu müssen wir mit jedem Schritt die Skienden in den Schnee rammen, als Pickelersatz.

Skitour mit Happy End

Ich verfluche die Tour, zumal die Luft Saharastaub-geschwängert und ein Gipfelpanorama bei den aktuellen Schnee- und Wetterverhältnissen sowieso nicht drin ist. Doch was wir nach dem Schartendurchstieg erblicken, verschlägt uns die Sprache. Vor uns breitet sich ein weites, leicht gewelltes, orange gepudertes Schneefeld aus. Sehen wir die Sahara in gleißendem Gegenlicht oder ist das alles eine Fata Morgana?

Wir halten einen Moment inne. Dann schwingen wir in schwerem, mäßig steilem Frühlingsschnee ab, der bei jedem Schwung viel Feingefühl fordert. Bis die lange Querung raus aus dem Tal wieder einige Muskelkraft fordern wird. Doch welch Überraschung: Norbert führt uns immer wieder gekonnt über kleine Hügel, die uns Schwung für viele Hundert Meter mühelose Querung geben, bis wir wie gedopt von diesem surrealen Skierlebnis wieder an der Talstation der Goldberg-Bahn ankommen.

Gruppe von Personen, die bei Nacht an einem langen Tisch sitzen.
© Gasteinertal Tourismus GmbH/Marktl Photography

Kulinarische Highlights unter dem Vollmond

Apropos Goldberg-Bahn: In der Tat ragt am Eingang des Nasstals der Goldberg empor, der seinen Namen durch den bedeutenden Gold- und Silberabbau vom 14. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhunderts erhielt. Zu dessen Füßen nehmen wir am Abend an einer langen Tafel vor der Hütte Valeriehaus mit insgesamt 100 Personen auf mit Fell bedeckten Stühlen Platz. Der Dresscode besteht aus dicken Winterstiefeln, warmer Winterkleidung und Mütze, als Liene und Otto Klaffenböck zum Vollmonddinner auf 1.600 Metern laden. Fackeln beleuchten den Weg zur Tafel, Kerzen erhellen den Tisch, Feuerschalen flackern in der Dunkelheit. Um uns herum hell leuchtende Wolkenfetzen und die schemenhaften 3.000er der Hohen Tauern.

In 20 Stunden hat Klaffenböcks-Team die Speisen neben dem laufenden Hütten-Betrieb am Vortag zubereitet. Nun servieren 13 Personen, Freunde und Verwandte, zügig einen Gang nach dem anderen. Die Gäste sollen ja nicht frieren. Als Ouvertüre bekommen wir Polentakuchen mit Bärlauch kredenzt. Zwischen jeder Speise wärmt ein Heißgetränk von innen durch. Vor dem Hauptgang „Beiried Rosa an Rotweinsoße mit Zuckerschoten“ strecken die ersten Gäste bereits ihre Finger und Füße über die Feuerschalen. Erst danach lassen sie den zarten Rinderrücken auf der Zunge zergehen. Plötzlich bricht der sehnlichst erwartete Vollmond durch die Wolkendecke und erstrahlt das Nassfeld mit seinem hellen Schein. Ein magischer Moment. Die „Heiße Weiße“ mit Kokos wärmt nach den Schwarzbeernock’n noch mal richtig durch. Nach etwa 1,5 Stunden löst sich die Gesellschaft ganz schnell auf, doch dieses magische Erlebnis wird noch lange nach unserer Heimfahrt in uns nachhallen.

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