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Perfekte Begleiter für perfekte Gipfel

Bei Skischuhen geht der Trend zu hybriden Modellen für verschiedene Einsatzgebiete. Aber wer braucht diese Boots, wo liegen Vor- und Nachteile? Und wo kann man damit Ski fahren? Skischuh-Spezialist Gerhard Trattler aus Reit im Winkl gibt Antworten.
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Das Schöne am Skifahren sind die vielen Facetten, die unser Lieblingssport mit sich bringt – ob man nun auf breiten Pisten cruisen möchte, in der einsamen Natur die verschneiten Berge hinauf geht oder auf unberührten Tiefschneehängen Powder-Träume auslebt. Leider braucht man für die meisten Arten des Skifahrens auch eine eigene Ausrüstung, was ins Geld geht und auch viel Platz im Keller einnimmt. Daher gibt es von einigen Skischuhherstellern auch Hybridboots, die für verschiedene Einsatzgebiete gedacht sind. Unser Experte Gerhard Trattler, der in Reit im Winkl das Sportgeschäft „Skihütte“ führt, erklärt, was es mit den Hybridboots auf sich hat und warum sie nicht für jeden geeignet sind.

SKIMAGAZIN: Gerhard, was versteht man grundsätzlich unter Hybridschuhen?

Gerhard Trattler: Wie der Name sagt, kann man mit einem Hybridschuh sowohl auf der Piste fahren als auch ins Gelände gehen, sprich Freeriden oder auch einmal eine kleine Tour unternehmen. Im Gegensatz zu klassischen Pistenschuhen haben Hybridschuhe einen Walk-Modus sowie Inlays für eine Pin-Bindung, sind aber meist stabiler und schwerer als reine Tourenschuhe. Pistenschuhe haben einen sportlicheren und nicht so beweglichen Schaft, wodurch sie sich von den Hybridschuhen deutlich unterscheiden. Worin liegen dann die Vor- und die Nachteile dieser Modelle? Durch den festen Schaft haben die Pistenschuhe eine bessere Kraftübertragung. Für uns als Bootfitter ist es außerdem so, dass wir die Schale eines Pistenschuhs ohne Gehmechanismus einfacher und oft besser an passen können. Das ist durch die etwas andere Schale bei Schuhen mit einem Geh- und Steh-Mechanismus teilweise schwieriger. Der letzte Punkt hat mit der Bauweise nichts zu tun. Aber wenn man bei einem Hybridschuh den Gehmodus aktiviert, muss man die oberen beiden Schnallen öffnen und den Hebel hinten am Skischuh auch auf „Walk“ stellen, um eine optimale Beweglichkeit zu erhalten. Oft vergessen unsere Kunden, nach einem Aufstieg die Schuhe wieder auf „Ride“ bzw. „Ski“ zu stellen, und haben so bei den ersten Schwüngen keine Kontrolle.

Wofür braucht man überhaupt den Gehmodus am Berg?

Wie der Name ja bereits sagt, zum Gehen mit den Skischuhen oder beim Einsatz als Tourenschuhe für den Aufstieg mit Fellen. Wenn man nach dem Skifahren zum Auto oder zum Après-Ski gehen will, braucht man den Gehmodus nicht unbedingt. Fast alle modernen Modelle haben eine GripWalk-Sohle, die unserer Meinung nach viel wertvoller ist, um mit den Skischuhen spazieren zu gehen. Viele Verletzungen passieren ja nicht auf der Piste, sondern wenn man mit der glatten Sohle herkömmlicher Skischuhe auf eine Eisplatte tritt und dort ausrutscht. GripWalk verleiht mehr Halt auf rutschigem Untergrund und verhindert so viele Stürze abseits der Pisten. Seit es GripWalk gibt, haben unsere Ärzte viel weniger zu tun.

Und wann ist der Gehmodus dann zwingend notwendig?

Wir brauchen den Hybridschuh mit seinem Gehmodus vor allem zum Aufstieg, wenn man im Skigebiet vor der Abfahrt noch einen kleinen Anstieg mit den Ski und Fellen unter den Füßen bewältigen will. Allerdings ist er weniger gut für eine Ganztagestour geeignet, da er schwerer als ein reiner Tourenschuh ist und daher zu viel Kraft kosten würde. Fürs Aufsteigen ist es unerlässlich, dass der Schuh einen beweglichen Schaft hat. Also: Der Hybridschuh richtet sich ganz klar an sportliche Skifahrer, die sich auch mal abseits der Pisten bewegen und während ihres Skitags feststellen, dass es auch einen ganz schönen Gipfel gibt, den man vom Lift aus mit ein paar Höhenmetern Aufstieg erreichen kann. Wer solche Gipfel mitnehmen möchte und dann auch gern eine schöne Tiefschneeabfahrt genießen kann, für den sind die Hybridschuhe die perfekten Begleiter.

Man braucht für die Hybridschuhe aber auch eine Pin-Bindung, oder?

Man kann mit den Hybridschuhen auch in einer ganz normalen Skibindung fahren. Wenn man allerdings tatsächlich zu einem Gipfel aufsteigen möchte, braucht man eine Pin-Bindung oder zumindest eine Rahmenbindung und natürlich Steigfelle. Sonst hat man zwar Tourenschuhe mit einem Gehmechanismus, aber keine geeigneten Ski, mit denen man bis zum Gipfel gehen kann.

Wie sportlich sind dann diese Schuhe?

Da gibt es unterschiedliche Modelle, die auch sehr sportlich mit einem hohen Flexwert sein können. Allerdings darf man den Flexwert von Hybridschuhen nicht mit dem Wert von Pistenschuhen vergleichen. Durch die Konstruktion mit dem beweglichen Schaft kommen Hybridschuhe trotz gleichen Flexwerts nicht auf dieselbe Härte wie herkömmliche Pistenschuhe. Aber wenn die Bedingungen nicht zu hart und eisig sind und man nicht gerade extrem sportlich unterwegs ist, kann man mit einem guten Hybridschuh auch auf der Piste Spaß haben. Für einige Skifahrer sind Hybridschuhe sogar besser, weil man durch den beweglichen Schaft leichter in Vorlage kommt als mit einem sehr harten Pistenschuh.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Unser Experte zum Thema

Im Skiort Reit im Winkl vertreibt die Familie Trattler seit 1927 nun in dritter Generation Bergausrüstungen. Gerhard, ehemaliges Mitglied im DSV-Alpin-Nachwuchskader, leitet mit seiner Schwester den Betrieb seit 1996. Seit Jahren gehört das Sporthaus „Skihütte“ auch in puncto Boofitting zu den führenden Adressen Deutschlands. „Meine Leidenschaft gehört dem Skisport. Am meisten Spaß habe ich, wenn ich früh am Morgen mit Freunden beim Riesenslalom Training bin und ab und zu ein Masters-Rennen fahren kann.“

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