Jeden Donnerstagabend ist „Küchengaudi“ im Good Life Resort Riederalm in Leogang. Stammgäste des Vier-Sterne-Hauses wissen, dass man sich die Vorspeisen und Amuse-Gueules, die in der dann für alle offenen Küche präsentiert werden, auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Das Paar aus dem Saarland freut sich schon die ganze Woche auf die geliebten Spareribs mit der feinen Marinade. Kinder beißen in Mini-Burger mit Pulled Pork, aus denen Bratensaft heraustrieft.
Herrlich unkompliziert geht es hier zu. Der Patron des Hauses, Friedl Herbst, steht selbst mit Schürze am Herd und rührt Gams-Nidei um. Nie gehört? „Nidei werden aus Kartoffelteig geformt. Sie sehen aus wie große Gnocchi“, erklärt er. „Wenn der Jager eine Gams geschossen hatte, wurde früher an Festtagen das Wild-Ragout untergerührt.“
Kochen hat Tradition in Leogang
Das Rezept von der Oma wiederentdeckt und verfeinert hat Herbsts Sohn Andi. Der junge Küchenchef kehrte nach Lehr- und Wanderjahren bei Größen wie Andreas Döllerer in Golling und Mario Lohninger in Frankfurt ins elterliche Hotel zurück – und wurde für seine Kochkünste aus dem Stand heraus von den Gault&Millau-Kritikern mit zwei Hauben und 13,5 Punkten geadelt.
Bei seiner Küchengaudi gibt es eben nicht nur Ribs und Burger, sondern auch mit großer Sorgfalt und Leidenschaft gekochte kleine Schweinereien wie Saibling-Sashimi, Hirsch-Carpaccio und Tatar vom heimischen Rind.
Kein Kulinarik-Neid
Dass sich das noch nicht überall herumgesprochen hat, liegt daran, dass Vater und Sohn Herbst nichts davon halten, ein separates À-la-carte-Restaurant zu eröffnen, zu dem die Halbpensionsgäste im Hotel dann neidisch hinüberschauen, weil dort vermeintlich noch bessere Speisen serviert werden.
Den Herbsts ist es wichtig zu zeigen, dass die zu gut 90 Prozent regional eingekauften Zutaten in ein und derselben Küche verarbeitet werden. Für externe Gäste gibt es jedoch ein Menü und eine kleine Zusatzkarte – und einen intelligent bestückten und modern designten Weinkeller, um den sich Andis Bruder Thomas kümmert.
Grenzenlos: Pistenspaß und gutes Essen
Wer es sich in der Riederalm schmecken lässt, merkt: In der kleinen Urlaubsregion Saalfelden Leogang tut sich gerade etwas in Sachen Kulinarik. Sie punktet mit insgesamt zwölf Gault&Millau-Hauben, verteilt auf sechs Restaurants. Zehn dieser Hauben wurden in der nur 3.300 Einwohner zählenden Gemeinde Leogang vergeben, die sich nun stolz „Haubendorf“ nennt.
Verwunderlich ist das jedoch nicht. Der Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn steht für viele zwar in erster Linie für unbegrenzten Pistenspaß in einem der größten Reviere Österreichs, für Hüttengaudi und Après-Ski. Aber in Leogang gibt es eben auch einen ganzen Strauß sehr guter Hotels, die jetzt kulinarisch ganz vorne mitspielen wollen. Einige dieser Hoteliers sind längst nicht nur im Tal, sondern auch im Skigebiet mit ihren Angeboten vertreten.
Skihütte mit Kaviar
Direkt neben der Bergstation von Asitz- und Steinbergbahn thront wie ein Adlerhorst der Hendl Fischerei Mountain Club, die zweifellos exclusivste Hütte auf der Leoganger Seite des Skicircus. Gastgeber sind Huwi und Renate Oberlader, die unten das Chaletdorf Priesteregg und das nach der Oma benannte Hotel Mama Thresl betreiben.
Mit der Hendl Fischerei, in der Hotelgäste bis zehn Uhr auch ein Frühstück serviert bekommen, was lässige „Early-Bird“-Optionen auf den frisch gewalzten Pisten ganz ohne Aufpreis eröffnet, haben die Oberladers noch einmal richtig Gas gegeben: Zu coolem Ibiza-DJ-Sound werden hier zwar nach wie vor Huwis legendäre Hendl und Räucherfische serviert, aber eben auch Kaviar, saftige Tomahawk-Steaks, Austern, Meeresfrüchte und Champagner. Bei blauem Himmel öffnet sich die Glashaube der Edelhütte – und einem sehr entspannten Nachmittag steht wirklich nichts im Wege. Die meisten Gäste nehmen nach dem Auschecken nur noch eine einzige Piste unter die Kanten, und das ist die direkte Talabfahrt. Vermutlich ist es auch besser so ...
Disneyland im Skigebiet
Um den Alkohol schnell aus dem Kopf zu vertreiben, ist ein heißer Sauna-Aufguss das Gebot der Stunde. Wie gut, dass wir im Wellnesshotel Puradies der Brüder Michael und Philipp Madreiter zu Gast sind, einem modern designten Vier-Sterne-Superior-Hotel. Die Eltern der beiden gehörten zu den Ersten, die in den 1950er-Jahren in Leogang Zimmer vermieteten. Ihr Embachhof ist ein stattliches Pinzgauer Gehöft aus dem 17. Jahrhundert, das auf einem Hügel in Alleinlage über dem Tal thront, mit freiem Blick zu den Leoganger Steinbergen.
Lange waren sie damit zufrieden. In den Nullerjahren wurden dann diese Almdörfer schick, die manchmal ein bisschen an Disneyland im Schnee erinnern. Die Madreiters wollten da mitmischen und bauten mit dem Steinalmdorf das erste Chalet-Dorf in der Region mit insgesamt 14 Häuschen, die alle über ein Privat-Spa verfügten und die dank der direkt vorbeiführenden Piste Ski-in-Ski-out erlauben. Es lief gut, doch die Chalet-Gäste wollten nicht immer selbst kochen, sondern auch mal im Restaurant des Embachhofs speisen. Dort war für so viel neue Kundschaft jedoch kein Platz.
Freie Sicht auf die Bergwelt
Die Madreiter-Söhne dachten sich: „Wenn wir etwas Neues machen, dann machen wir es richtig.“ Brother Act statt Sister Act. Klotzen, nicht kleckern. Leogang eben, das selbst ernannte „Home of Lässig“. 2015 eröffnete das Wellness-Center „Innere Mitte“, schön an einem Naturbadesee gelegen und mit großzügigen Saunen ausgestattet, die freien Blick auf die Bergwelt gewähren. Das Wellnesshotel Puradies selbst mit rund 60 neuen Zimmern und Suiten empfing dann Ende 2016 erstmals Gäste. Was soll man sagen: Das Puradies ist kein schlechter Ersatz für jenen Garten Eden, aus dem wir einst – wegen Eva! – vertrieben worden sind.
Ein architektonisches Highlight ist zum Beispiel die großzügige Bar „Freiraum“, deren Herzstück (und Tresen) ein aus 16.000 Eichenholzwürfeln gezimmertes 40 Meter langes und bis zu 4,5 Meter hohes durchgehendes Kunstobjekt ist, in dem Bar, Lounge und Wendeltreppe organisch miteinander verschmelzen.
Koch und Kunst
Und dann ist da noch das À-la-carte-Restaurant ESS:ENZ in einem Chalet, das außen rustikal und innen nordisch hell daherkommt: offene Küche, Platz für nicht mehr als gut 20 Gäste, am Herd Albert Dschulnigg, dessen Kreationen Gault&Millau mit zwei Hauben und 13 Punkten würdigt. Seine selbst gemachten Ravioli, gefüllt mit kroatischem Trüffel und Frischkäse, schmecken vorzüglich, das Filet vom Bio-Rind ist auf den Punkt gebraten.
Die Karte ist klein, aber fein – jeder Gast dürfte hier fündig werden. Geht man dann zurück ins Puradies, läuft man Albert Dschulnigg noch einmal über den Weg. Der Koch ist nämlich auch passionierter Maler. Und seine moderne Kunst, die mit kräftigen Farben hantiert, hängt hier an den Wänden.
Skischule mit Tradition
Anderntags geht es mit Guide Roli zum Skifahren auf die Pisten. Roli steht in Diensten der Skischule von Gerhard Altenberger, einem Leoganger Urgestein. Dessen Vater Sepp kam im Zweiten Weltkrieg an die Front nach Finnland, wo er im Stellungskrieg gegen die Russen erstmals Ski an die Füße geschnallt bekam. Zu Hause machte er ein Geschäft daraus und gründete 1952 die erste Skischule am Ort, obwohl das Skigebiet um den Asitz erst 20 Jahre später so richtig mit Liften erschlossen wurde.
Aber er war eben ein Pionier, den anderen immer um eine Nasenlänge voraus. Seine Skischule wird regelmäßig unter die besten im Salzburger Land gewählt. Als der Senior 2011 im 90. Lebensjahr starb, hinterließ er nicht nur die Skischule, sondern auch den Krallerhof, ein Vier-Sterne-Superior-Hotel mit einem großen Wellnessbereich, in dem Gerhards Bruder Sepp junior das Sagen hat. Zum Imperium gehört ferner die urige Kralleralm gleich nebenan, wo es beim Après-Ski hoch.
Erfolgreiche Skigebiets-Hochzeit
Auch die Altenbergers haben wie die Oberladers mit ihrer Hendl Fischerei auf den Berg expandiert. Ihnen gehören Asitz-Bräu und Alte Schmiede, zwei große Verköstigungs-Stationen im Skigebiet mit einer eigenwilligen musealen Einrichtung, die mehr an einen Flohmarkt als an eine authentische Berghütte erinnert. Vielen Gästen scheint das Ambiente aber durchaus zu gefallen – zumindest ist mittags die Location stets rappelvoll.
Der Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn bietet eben für jeden etwas. Und deshalb funktioniert auch der Verbund so gut. Als Ende 2015 die bundesländerübergreifende Hochzeit zwischen dem Tiroler Pillerseetal und dem Glemmtal im Salzburger Land gefeiert wurde, hatte es durchaus auch kritische Stimmen gegeben. Einige Hoteliers befürchteten, dass die Pisten-Ehe zu sinkenden Preisen führen würde, weil Fieberbrunn schon immer deutlich billiger war als der Weltcup-Skiort Saalbach. Profitiert haben jedoch alle Seiten, denn die vier Orte kommen sich mit ihrem differenzierten Angebot nicht in die Quere.
Fünf Sterne in Leogang
Das obere Ende der Messlatte bildet dabei zweifellos das Forsthofgut in Leogang. Das einzige Fünf-Sterne-Haus im Ort beherbergt seit 2018 das kleine Lokal „echt. gut essen.“, in dem maximal zehn Gäste Platz finden. Die offene Küche ist das Reich von Michael Helfrich, der nach Stationen in Weltklasse-Restaurants wie der Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn und dem Kopenhagener Noma sowie als Privatkoch einer Unternehmerfamilie hier gelandet ist. Helfrich lässt nur ein einziges Menü servieren, das wahlweise aus fünf oder acht Gängen besteht.
Selbst Aromen und Texturen, die nicht allen geheuer sind, wie zum Beispiel Stockfisch und Kalbsbries, schmecken ganz vorzüglich. Kein Wunder, dass die Tester von Gault&Millau dafür drei Hauben und 15 Punkte vergeben, die höchste Wertung in Leogang und Saalfelden. Alles ist hier stimmig – das Wine Pairing, das einen japanischen Sake integriert, der unaufdringliche, aber aufmerksame Service, die auf Wunsch alkoholfreie Getränkebegleitung.
700 Jahre Kulinarik
Am letzten Skitag haben wir die Qual der Wahl. Unten im Dorf gäbe es den Kirchenwirt, den uns alle ans Herz gelegt haben. Das von dem Geschwisterpaar Barbara Kottke und Hans-Jörg Unterrainer geführte Boutique-Hotel beherbergt nämlich das Gourmet-Restaurant K1326, von den Gault&Millau-Experten mit zwei Hauben und 14,5 Punkten bedacht.
Es heißt so, weil das historische Haus 1326 erstmals urkundlich erwähnt wurde und damit das älteste Dorfwirtshaus im Salzburger Land ist. In dieses Stück Mittelalter im Wortsinn hineinzuschmecken und die saisonal-regionalen Spezialitäten zu kosten, klingt verlockend, doch wir wollen ja die Pisten unsicher machen. Wir entscheiden uns deshalb für das Restaurant Kukka (eine Haube, zwölf Punkte) im Holzhotel Forsthofalm, weil dieses an der Asitz-Mittelstation liegt und somit direkt an der Piste.
Saalfelden-Leogang - Home of lecker
„Kukka“, das ist auf Finnisch die „Blume“. Wer weiß, dass Hotelchef Markus Widauers Ehefrau Emmi aus Finnland stammt, muss deshalb nicht lange rätseln, woher der ungewöhnliche Name stammt. In der Küche hat jedoch Thomas Hilpold das Sagen.
Vegetarier und Veganer unter den Halbpensions-Gästen kommen hier abends genauso auf ihre Kosten wie jene, die mittags hereinschneien und Lust auf ein zartes, mit Almkräutern bestreutes Bio-Steak vom Holzkohlegrill haben oder auf frische Garnelen und Fisch. Danach begibt man sich auf die große Terrasse, lässt sich in die Schaffelle auf den Loungemöbeln plumpsen und bestellt einen „Alm-Himbeer Mojito“ oder einen „Tiki Chikki Monkey“. Noch nie gehört? Dann nichts wie auf ins „Home of Lässig“ – pardon: natürlich ins „Home of Lecker“!