Eine für Colagreco typische Erfolgsgeschichte, schließlich legte der Argentinier schon in den Jahren zuvor eine beeindruckende Karriere hin. Ob das auch für sein skifahrerisches Talent gilt, haben wir ihn im Engadin gefragt …
Für Spitzenkoch Mauro Colagreco war 2019 das Jahr schlechthin. Sein Flaggschiff, das Restaurant Mirazur in Menton an der Côte d’Azur, erhielt eine Vielzahl von Ehrungen, und die authentische und herzliche Küche des heute 45-Jährigen erfuhr weltweite Anerkennung. Nach der erstmaligen Auszeichnung mit drei Michelin-Sternen in jenem Januar landete das Restaurant nur wenige Monate später auf Platz eins der „World’s 50 Best Restaurants“ – gewählt von einer Jury aus über 1.000 internationalen Gastronomie-Experten. Mehr geht nun wirklich nicht in der kulinarischen Welt.
Ein kulinarischer Siegeszug, der 2001 begann, als der Argentinier nach seiner Ausbildung in Richtung Frankreich aufbrach und in mehreren Drei-Sterne-Restaurants, unter anderem bei Alain Passard und Alain Ducasse, wertvolle Erfahrungen sammelte. 2006 eröffnete er dann sein Mirazur mit atemberaubendem Panoramablick auf das Mittelmeer und den richtigen Erfolgsrezepten. Ein Jahr später folgte der erste Michelin-Stern, 2009 dann die Ernennung zu „Frankreichs Koch des Jahres“ durch den Gault&Millau – als erster nicht französischer Koch überhaupt. Ein Besuch an der Côte d’Azur gilt nicht zuletzt deshalb längst als Muss unter Gourmets, und gut zehn Jahre und weitere zwei Michelin-Sterne später betreibt Mauro Colagreco heute unter anderem auch Restaurants in Paris, Cannes, Peking sowie in seinem Heimatland Argentinien. Im Winter 2020 dann auch der Schritt in die Schweiz. Genauer gesagt ins „the K by Mauro Colagreco“, eines der Restaurants im Kulm Hotel St. Moritz. Seither darf sich nicht nur das Direktionspaar Jenny und Heinz E. Hunkeler an Colagrecos Kochkünsten erfreuen, sondern auch die erlesene Gästeschar des Traditionshauses, dessen Gründer Johannes Badrutt Mitte der 1860er-Jahre den Wintertourismus aus der Taufe gehoben hatte.
Doch auch Mauro Colagreco selbst hat bei diesem Engagement allen Grund zur Freude, schließlich findet er in St. Moritz bestmögliche Bedingungen vor, um seinem Hobby, dem Skifahren, nachgehen zu können. Wie er seine stets regional inspirierte Küche, die im Mirazur überwiegend von mediterranen Aromen, dem Gemüse und den Zitrusfrüchten aus den restauranteigenen Gärten geprägt ist, mit Produkten aus den verschneiten Schweizer Alpen umsetzt, wie er Ski fahren gelernt hat und warum er den Sport in der Bergwelt so sehr liebt, hat er uns im SkiEXCLUSIV-Interview verraten.
SkiEXCLUSIV: Mauro, 2021 haben Sie zusätzlich zu Ihren drei Michelin-Sternen im Mirazur einen weiteren Stern für das Restaurant „the K“ im Kulm Hotel erhalten. Ein äußerst erfolgreicher Start Ihres Gastspiels in der Schweiz ...
Mauro Colagreco: Dieser Stern war tatsächlich eine große Überraschung für uns, wir haben nicht so rasch mit dieser Auszeichnung gerechnet. Daher war es eine große Freude, mit dem Team in der Schweiz feiern zu können. Besonders in diesen für unsere Branche, Gastronomie und Tourismus, so schwierigen Zeiten.
In Ihrem Restaurant an der Côte d’Azur genießt man den Blick auf das weite Mittelmeer. Kann man das mit dem Blick auf den St. Moritzersee vor dem Kulm Hotel vergleichen?
Das ist schwer zu vergleichen, aber alles hat schließlich seinen Reiz. Die Aussicht auf das Mittelmeer, die Farben, die Ruhe beim Betrachten des Wassers, die Spiegelungen, das Licht, all das spricht sämtliche Sinne an und ermöglicht einen Dialog mit der Landschaft im Rahmen eines besonderen gastronomischen Erlebnisses. Ein Restaurant, das mitten in dieser Natur liegt, bietet den Gästen ein ganz anderes Erlebnis als hier in den Schweizer Alpen. Aber für mich als Argentinier, gewissermaßen ein Exot hier in der Schweiz – und für alle anderen auch, die den Wintersport lieben –, haben St. Moritz und die Bergwelt ebenfalls einen unvergleichlichen Charme.
Ihr Mirazur war 2020 das erste als „plastikfrei“ zertifizierte Restaurant der Welt, und Sie richten Ihr Menü ganz nach dem Kreislauf der Natur aus und kochen mit sonnengereiften Produkten aus Ihren eigenen Gärten. Auf welche Zutaten greifen Sie hier in den verschneiten Schweizer Bergen zurück?
Wir verwenden hier ebenfalls viele Produkte aus der Region, direkt aus der Bergwelt. Vor allem haben wir viel mit Kiefern und wildem Spinat gearbeitet, aber auch mit unterschiedlichen Bergkartoffeln, die einen sehr geringen Wassergehalt haben und deshalb ideal für die Herstellung von Terrinen und Püree sind. Ein großartiges Produkt, das uns sehr gefallen hat. Genau wie die Rote Bete von hier, die wir dünn aufgeschnitten mit einer Kaviar-Sauce garnieren. Dazu bereiten wir Gerichte mit Lammfleisch von lokalen Züchtern oder auch mit Wildschwein zu, und auch Forellen aus hiesigen Seen stehen auf dem Menü.
Sie fahren in St. Moritz auch gerne Ski. Wo haben Sie das Skifahren gelernt? Es handelt sich ja nicht unbedingt um einen Volkssport in Südamerika …
In der Tat ist Skifahren in Argentinien kein sehr verbreiteter Sport. Zunächst einmal sind da die großen Entfernungen, die man zurücklegen muss, wenn man wie ich nicht in der Nähe der Skigebiete wohnt. Ich habe in Buenos Aires gelebt, mitten in der Pampa. Da sind die schneebedeckten Berge ganz schön weit weg. Erst in Frankreich habe ich dann mit dem Skifahren begonnen. Der Sport hat mich von Anfang an fasziniert, die Berge, die frische Luft – tolle Erlebnisse.
Was macht das Skifahren für Sie so besonders?
Am meisten mag ich natürlich, dass es Zeit ist, die ich mit meiner Familie verbringe. Zeit, die wir teilen. Wir lachen viel dabei, nicht immer klappt beim Skifahren ja alles so, wie man sich das wünscht. Ich liebe diese Momente der Entspannung inmitten der Natur mit den Kindern und mit meiner Frau Julia.
Was war das lustigste Erlebnis, das Sie beim Skifahren hatten?
Das ereignete sich natürlich gleich bei meinem ersten Mal auf Ski, als ich mit meinen Kindern und einem Kinderskilehrer geübt habe. Als Anfänger konnte ich noch nicht bremsen, da sind mir die Kinder hinterhergefahren und haben wie wild gerufen: „Papa, du musst die Pizza machen“, um mir zu zeigen, wie man die Füße zum Bremsen positioniert ... Irgendwann habe ich schließlich anhalten können, aufhören zu lachen konnten wir aber nicht ganz so schnell! (lacht)
Wie würden Sie Ihren eigenen Fahrstil denn beschreiben?
Eher spaßig (lacht).
Welche Skigebiete mögen Sie am meisten?
Meine Lieblingsskigebiete sind oft mit meiner beruflichen Tätigkeit verbunden, also mit den Orten, an denen ich koche. So wie hier in St. Moritz, das ja ein faszinierendes Skigebiet hat. Aber ich mag auch Courchevel, wo ich auch ein Restaurant betreibe, sehr. Ein wunderbares Ziel für alle, die den Himmel, den Skisport und die Berge lieben.
Einmal abgesehen von den Pisten: Wie wichtig ist für Sie das Drumherum bei einem Skigebiet?
Wenn sich Menschen an einem Ort treffen, um das zu tun, was sie lieben, um die Natur zu genießen und Freude zu haben, ist ohnehin alles gut. Außerdem sind Skigebiete wie das in St. Moritz Orte, die es uns aufgrund ihrer besonderen Lage ermöglichen, eine echte Pause vom Alltag, von der Arbeit und von jeglichen Verpflichtungen einzulegen. Orte, an denen wir unsere Batterien sehr schnell wieder aufladen können und an denen viele Menschen die Größe und Kraft der Natur bewundern können.
Sie haben es bereits angedeutet: Sie leiten zahlreiche Restaurants in der ganzen Welt – von Argentinien über Frankreich und die Schweiz bis nach China. Ist das Reisen generell das größte Privileg an Ihrem Beruf?
Ja, definitiv. Ich empfinde eine enorme Dankbarkeit für all die Orte, die ich durch meine Arbeit entdecken und erleben darf. Das Reisen hat es mir auch ermöglicht, meine Kreativität stetig weiterzuentwickeln, was für meine Küche sehr wichtig ist.
Wie geht Ihre persönliche Reise denn weiter? Mit dem Mirazur an der Côte d’Azur haben Sie eigentlich bereits alles erreicht, was man als Koch und Restaurantchef erreichen kann. Sind Sie nun gewissermaßen schon angekommen oder haben Sie noch weitere große Ziele vor Augen?
Wir haben viele neue Projekte in der Pipeline, die wir realisieren wollen. Sinnvolle Dinge, zum Beispiel weitere Verbesserungen in Sachen Nachhaltigkeit und weitere Optimierungen auch im Sinne unserer Angestellten, gibt es ja immer zu tun. Wir investieren weiterhin in unser Restaurantgebäude mit neuen Räumen für unsere Gäste, die sie entdecken können. Dazu arbeiten wir an Forschungs- und Experimentierräumen für unsere Teams sowie an der Verbesserung aller Arbeitsbereiche. Wir bauen unsere Mirazur-Gärten stetig aus, führen mit einem Ethnobotaniker und einem Archäologen multidisziplinäre Forschungen in unserer Region durch. Wir möchten einfach noch mehr über die Entwicklung des Lebens und der Produkte in unserer Region erfahren und hoffen, dass uns das generell hilft, noch besser zu werden. Die Reise ist also noch lange nicht zu Ende, weder hier in St. Moritz noch in Menton!
Vielen Dank für das Gespräch, Mauro Colagreco!
the K
Das „the K by Mauro Colagreco“ im Kulm Hotel St. Moritz hat nur in den Wintermonaten geöffnet. Paloma Boitier, Chef de Cuisine im Mirazur, ist noch keine 30, nicht minder kreativ als Colagreco und achtet auf eine besonders fantasievolle Darstellung der Speisen. In engem Kontakt mit ihrem Chef führt sie das Restaurant im Kulm Hotel, wenn der Koch nicht selbst im Engadin sein kann.