Paul Ivić kämpft auf allen Ebenen und mit Feuereifer für eine gesunde Küche und eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion. Sein Handwerk hatte der 45-jährige Österreicher mit kroatischen Wurzeln in der Spitzengastronomie in Österreich, Deutschland und der Schweiz erlernt, ehe er im „Tian“ in Wien sesshaft wurde. Seit dessen Eröffnung 2011 ist Ivić als Küchenchef und inzwischen Miteigentümer das Aushängeschild des Wiener Restaurants, in dem er die Gemüseküche revolutioniert und von der Wurzel bis zum Blatt durchdachte vegetarische sowie vegane Gerichte serviert. Mit ihren paradiesischen Kreationen halten Ivić und sein Team seit 2014 bis heute einen Michelin-Stern für das Restaurant in der Himmelpfortgasse im ersten Wiener Bezirk – als einziges vegetarisches Restaurant in Österreich und nur einer Handvoll Restaurants weltweit.
Der leidenschaftliche Koch ist großer Befürworter biodynamischer Landwirtschaft, arbeitet eng mit nachhaltigen Erzeugern aus der Umgebung Wiens zusammen und kocht nur mit Gemüse, dessen Herkunft er kennt. Aus gutem Grund, wie Ivić gerne betont: „Heute wird fast nur noch gegen die Natur gearbeitet, nicht mehr mit oder gar für sie. Wir vergessen dabei aber etwas ganz Entscheidendes, nämlich dass wir ein Stück dieser Natur sind.“ Ein Credo, das im Übrigen auch „Tian“-Sommelier André Drechsel (Österreichs Sommelier des Jahres 2023, Gault&Millau) teilt. Er reicht vorwiegend Naturweine renommierter österreichischer Winzer zu Ivićs Menü.
Paul Ivić lässt sein fundiertes Wissen über die Zusammensetzung und Wirkung natürlicher Rohstoffe aber nicht nur in seine einzigartigen Gerichte im „Tian“ einfließen, sondern auch in seine vegetarischen Kochbücher, deren drei er inzwischen veröffentlicht hat. Und auch in seinem Pop-up-Restaurant „Tian Bistro am Berg“ im Hotel Edelweiss in Zürs am Arlberg (in diesem Winter bereits zum dritten Mal und unter Regie von „Tian“-Sous-Chef Peter Lehner) gelten Ivićs Prinzipien. So serviert er auch dort eine erlesene Auswahl seiner besten Gerichte, hier allerdings im immer beliebter werdenden Sharing-Stil. Freilich kommen die Gerichte im Zürser Bistro nicht ganz so filigran wie in seinem Wiener Sternerestaurant daher, sind aber an die Zutaten der hiesigen Bergwelt angepasst und strotzen ebenso vor Qualität, Kreativität und erlesenen Aromen. Da lohnt sich der Einkehrschwung! Den macht auch Paul Ivić gerne mal beim Skifahren, wie er uns im Interview verrät.
SKIMAGAZIN: Paul, Sie sind in Serfaus aufgewachsen und standen sicher früher auf Ski als am Herd …
Paul Ivić: Das auf jeden Fall, ich stand mit knapp drei Jahren zum ersten Mal auf Ski, und meine gesamte Kindheit war geprägt davon. Im Prinzip waren wir den ganzen Tag am Skilift und auf der Piste. In Serfaus hat man sich sehr darum bemüht, möglichst viele Kinder zum Skifahren zu bringen. Wir hatten vom Kindergarten an dreimal die Woche Training und gute Coaches, die uns auch technisch gut ausbildet haben – der Spaß kam dabei aber nie zu kurz. Eine großartige Zeit. In Wien angekommen, musste ich mich erst daran gewöhnen, dass man in ein Skigebiet anreisen muss.
Gab es irgendwann mal Ambitionen, das Skifahren professioneller zu betreiben?
In der Jugend bin ich das eine oder andere Rennen recht erfolgreich gefahren, dann aber erst wieder vor einigen Jahren beim „Sterne Cup der Köche“, dem Skirennen für Spitzenköche in Ischgl. Vom fahrerischen Niveau einiger Kollegen dort, wie zum Beispiel Hans Haas (ehemals Restaurant Tantris, Anm. d. Red.), war ich sehr überrascht. Da habe ich mich im Vorfeld verbal etwas weit aus dem Fenster gelehnt, ich dachte, da hätte ich den Sieg schon sicher (lacht). Wenn ich mal wieder daran teilnehme, werde ich mich auf jeden Fall besser vorbereiten als damals.
Was macht das Skifahren für Sie so besonders?
Für mich ist es eine der schönsten Sportarten überhaupt. Auf der Piste kann ich komplett abschalten, die Küche und das Restaurant sind dann kein Thema. Wenn man intensiv und zügig fährt, muss man sich vollständig auf den Moment konzentrieren. Man könnte sagen, dass es meine Art von Yoga ist. Natürlich muss dann auch die Fitness stimmen, ohne Training kann so ein Geschwindigkeitsrausch, den ich dabei durchaus empfinde, auch gefährlich werden.
Wie halten Sie sich fit, um auf der Piste gut zu performen?
Die Fitness ist mir nicht nur wichtig beim Skifahren, sondern auch in meinem Beruf gefordert. Generell ist die Gastronomie körperlich und mental sehr fordernd, im Fine-Dining-Bereich vielleicht sogar mit Leistungssport zu vergleichen. Ich achte sehr auf eine gesunde Ernährung, bewege mich viel an der Luft, fahre neben Ski auch Rennrad, spiele dann und wann Tennis.
Wie sehen Sie die Entwicklungen des Equipments in den letzten Jahren?
Die Möglichkeiten, die Carving-Ski heutzutage bieten, sind enorm. Die Bretter, die wir vor 20 Jahren hatten, haben definitiv nicht so viel Spaß gemacht. Aber man muss auch ein wenig Obacht geben. Einmal habe ich einen richtigen Race-Carver ausprobiert und dessen Power, trotz der Warnung durch einen Experten, gewaltig unterschätzt. Er sagte, es könne schon sein, dass ich technisch sehr gut fahre, aber die nötige Kraft für diese Rennmaschinen hätte ich nicht. Und so war es dann auch, der Ski ist eher mit mir gefahren als ich mit ihm. Wie auf Schienen bin ich über die Pistenbegrenzung hinausgeschossen und anschließend gleich auf einen herkömmlichen Carving-Ski zurückgewechselt. Am wichtigsten sind mir aber die richtigen Skischuhe, da mache ich keine Kompromisse. Nur mit persönlich angepassten und ausgeschäumten Skischuhen hat man richtigen Halt im Schuh und bringt den Druck optimal auf die Kanten.
Wie würden Sie Ihren Fahrstil beschreiben, welcher Typ Skifahrer sind Sie?
Ich mag es, schnell unterwegs zu sein, und fahre dann zwei bis drei Stunden sehr intensiv durch. Das ist mir lieber, als den ganzen Tag gemütlich die Pisten herunterzurutschen. Am liebsten fahre ich Riesenslalom- oder Slalom-Ski. Das hängt auch davon ab, mit wem ich fahre. Wenn ich beispielsweise mit meinem Onkel – der ist zwar schon über 70, fährt aber richtig sportlich und liebt Kurzschwünge – fahre, nehme ich zum Beispiel Slalom-Ski, um ihm hinterherzukommen. Nach drei Stunden hat er mich dann aber meist zermürbt. (lacht) Dann gehe ich blau und brauche einen Einkehrschwung.
Worauf legen Sie denn am meisten Wert bei einem Tag auf der Piste?
Dass diese herausfordernd ist und zudem nicht zu überfüllt. Und die Kulinarik ist mir als Koch natürlich auch beim Skifahren besonders wichtig. Das heißt, es sollten hochwertige Produkte verwendet werden, traditionelle und regionale Speisen auf einer Skihütte angeboten werden. Da sollte man sich im Skiurlaub auch informieren, welche Hütten das anbieten. Ich glaube, so spürt man die jeweilige Region noch mehr, und das Urlaubserlebnis wird intensiver. Meeresfrüchte haben für mich in den Bergen zum Beispiel gar nichts verloren.
Wie oft kommen Sie angesichts Ihres erfolgreichen Restaurants in Wien und der Pop-ups in Zürs und in Kroatien, trotz Vorträgen und Presseterminen überhaupt noch zum Skifahren?
Ich besuche meine Familie in Serfaus jeden Winter für zehn Tage. Diese Zeit nutze ich natürlich auch zum Skifahren. Und wenn wir im Pop-up in Zürs vorbeischauen, kann ich das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden und ein paar Pistenkilometer machen. Wenn ich Urlaub mache, dann am liebsten in einem Apartment, in dem ich dann tatsächlich auch gerne selbst koche – da weiß ich wenigstens, welche Qualität meine Zutaten haben.
Seit 2011 leiten Sie das „Tian“ in Wien, haben die heimische Berge verlassen. Inwieweit ist Ihre Küche dort von der Bergwelt inspiriert?
Meine Heimat und die Berge sind sicherlich der Ausgangspunkt für alles, was ich mache, da ich immer noch auf der Suche nach dem Geschmack meiner Kindheit bin. Fleisch war damals in Serfaus keine Massenware, sondern ein wertvolles Lebensmittel. Tiere wurden gut gehalten und nicht mit Kraftfutter gemästet. Auch die frischen Beeren und das Gemüse von den heimischen Äckern hatten ein ganz besonderes Aroma. Deshalb bereite ich meine Menüs in Wien mit den besten Produkten zu, die ich finden kann und deren Geschmack so unverfälscht wie möglich ist. Und natürlich spielt das Skifahren auch in unserer Küche im Wiener Restaurant eine Rolle, schließlich haben wir dort einen Fernseher, auf dem das Team und ich den Ski-Weltcup live verfolgen können.
Obwohl Sie eines der renommiertesten vegetarischen Restaurants betreiben, sind Sie selbst kein Vegetarier, oder?
(lacht) Nein, ich habe auch meine Freude an einem guten Stück Fleisch und an einer guten Salami, von denen ich weiß, wo sie herkommen. Mein Bedürfnis danach ist aber eher selten. Fleisch aus Massentierhaltung, Aufschnitt oder Ähnliches wird man bei mir nicht finden. Solche Dinge habe ich seit Jahren aufgrund früherer gesundheitlicher Probleme verbannt und fahre sehr gut damit. Überwiegend kommt bei uns zu Hause aber Gemüse und am Meer gerne auch mal frischer Fisch auf den Tisch.
Welche Skigebiete würden Sie einem Gast in Ihrem Restaurant ohne Weiteres empfehlen?
Da ich aus Serfaus komme, kann ich dieses Gebiet mit seinen hervorragend präparierten Pisten natürlich nur wärmstens empfehlen. Dort ist auch meine Lieblingspiste, die Waldabfahrt. Eine schwarze Piste, die zwar nicht sehr lang, dafür aber wirklich anspruchsvoll ist. Die könnte ich den ganzen Tag fahren, vor allem morgens bietet sie puren Genuss. Aber ich mag auch Ischgl mit seinen vielen tollen Hängen sehr gerne. Ich habe lange dort gekocht, da lernt man dieses große Skigebiet im Paznaun natürlich auch zu schätzen. Grindelwald in der Schweiz mag ich aufgrund der langen Pisten und der außergewöhnlichen Bergwelt mit Blick auf die Eiger-Nordwand und Jungfrau ebenfalls sehr. Und Lech Zürs ist neben dem großen Skigebiet auch ein echtes Freeride-Eldorado – da sollte man zur Sicherheit aber immer ortskundige und geprüfte Skiführer als Begleitung dabeihaben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das ist Paul Ivić
Stationen: Nach seiner Ausbildung im Hotel Löwen in Serfaus kochte der in Serfaus geborene Paul (45) unter anderem im Hotel „Der Seehof Goldegg“ in Goldegg, im Hotel „Trofana Royal“ in Ischgl und im „Gasthof Hotel Post“ in Lech. Seit 2011 ist er Küchenchef und inzwischen auch Miteigentümer im „Tian Wien“.
Auszeichnungen (u. a.): 1 Michelin-Stern, 1 Michelin Grüner Stern und 4 Gault&Millau-Hauben (fürs Tian Restaurant Wien), 3 Gault&Millau-Hauben (fürs „Tian Bistro am Berg“), 50 Best Discovery
Kochbücher: Vegetarische Sommerküche (2015), Vegetarische Winterküche (2017), Restlos glücklich (2021)
Weitere Infos auf tian-restaurant.com und edelweiss-arlberg.at